Sonntag, 10. Dezember 2017

oh Heiland


Am diesem Sonntag traf mich die Predigt ein wenig unvermittelt. Trotzdem – oder gerade deswegen – möchte ich sie mit euch teilen.

Die Pfarrerin sprach über das Lied Oh Heiland reiß die Himmel auf und über den Autor dieses Liedes, Friedrich Spee.


Oh Heiland reiß die Himmel auf.

O Heiland, reiß die Himmel auf,
herab, herab vom Himmel lauf,
reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloss und Riegel für.

O Gott, ein’ Tau vom Himmel gieß,
im Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr Wolken, brecht und regnet aus
den König über Jakobs Haus.

O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd,
dass Berg und Tal grün alles werd.
O Erd, herfür dies Blümlein bring,
o Heiland, aus der Erden spring.

Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
darauf sie all ihr Hoffnung stellt?
O komm, ach komm vom höchsten Saal,
komm, tröst uns hier im Jammertal.

O klare Sonn, du schöner Stern,
dich wollten wir anschauen gern;
o Sonn, geh auf, ohn deinen Schein
in Finsternis wir alle sein.

Hier leiden wir die größte Not,
vor Augen steht der ewig Tod.
Ach komm, führ uns mit starker Hand
vom Elend zu dem Vaterland


1622 veröffentlicht ist dieses Lied ein Klassiker der Kirchenlieder und war das Lieblingslied der Oma meiner Frau, was mir jetzt auch langsam verständlich wird, da diese beide Weltkriege überlebt hatte...

Das Lied unterscheidet sich durch seine bildgewaltige Sprache und kraftvolle Dynamik stark von anderen Liedern der Adventszeit: Da kommt kein Schiff geladen bis an sein höchsten Bord, sondern Türen werden auf- und Riegel abgerissen.
Was so gar nicht in die besinnliche Adventsstimmung passt, hat historischen Gründe: Das Lied entstand im dreißigjährigen Krieg. Dem Autor waren die Verheerungen anschaulich, die der Krieg mit sich brachte.


Träufelt, ihr Himmel, von oben, und ihr Wolken, regnet Gerechtigkeit! Die Erde tue sich auf und bringe Heil, und Gerechtigkeit wachse mit auf! Ich, der HERR, erschaffe es.
Jesaja 45,8

Friedrich Spee war aber nicht nur und noch nicht einmal in der erster Linie Kirchenmusiker. Der war – gegen den Willen seiner Eltern – in den Jesuitenorden eingetreten. Er war kurze Zeit Professor für Moraltheologie in Köln, kam aber in die Kritik als ein Gegner der damals allgemein verbreiteten Hexenprozesse. Es ist unklar, ob er Beichtvater für Hexen gewesen ist und sie auf ihren letzten Weg begleitet hat, als gesichert gilt, dass er viele Hexenprozesse als Beobachter verfolgt hat. Unter diesen Eindrücken schrieb er 1631 die cautio criminalis, ein Buch, dass er nur anonym veröffentlichen konnte, welches ihm aber nichtsdestotrotz sehr bald zugeschrieben wurde.

Der Skandal entfachte sich damals vorallem an der Argumentation, die Schuldbekenntnisse der Hexen seien nichts wert, da sie unter Folter zustande gekommen seien. Heute erscheint uns diese Einsicht trivial, im 17. Jahrhundert war aber nicht nur Folter gang und gäbe sondern sie wurde auch als Königsweg zur Wahrheitsfindung betrachtet.



So kann Friedrich Spee als einer der Ideengeber der modernen Rechts- und Prozessordnung gelten. Gerade auch in heutigen Zeit, in der über Folter verhandelt wird und in der sich immer noch Menschen zum Mitwirken an gefährlichen Bewegungen hinreißen lassen ist es gut sich auch in der Adventszeit an ihn zu erinnern.

Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen
Jesaja 63,19

Somit nehme ich zwei Punkte aus der Predigt vom vergangenen Sonntag mit: Besinnliche Lieder müssen nicht unbedingt ruhig sein. Oh Heiland reiß die Himmel auf lässt uns zur Besinnung kommen eben dadurch, dass es so "gewalttätig" und ausdrucksstark ist. Zum anderen ist Besinnung wichtig um nicht im Storm des allgemeinen Aberglaubens und der "akzeptierten, normalen Meinung aller" mitgerissen zu werden, sondern eine eigene Position zu beziehen.


eine schöne zweite Adventwoche Euch allen!

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